Eindrücke vom Nachbarschaftsfestival in Nantesbuch
Menschen vor Plakatwänden im angeregten Gespräch, über Linolplatten beim gemeinsamen Schnitzen, mit Espressotassen an Stehtischen, in Clubsesseln vor einem Podium, im Rollenspiel eines Workshops oder beim Tanz – nie allein, sondern immer im Austausch, immer in „VerBindung“. Genau das war die Absicht der facettenreichen eintägigen Veranstaltung, zu der die „Stiftung Kunst und Natur Nantesbuch“ geladen hatte. Kulturkurator Mario Grizelj hatte das Programm für das so betitelte „interaktive Nachbarschaftsfestival zur Kunst des Zusammenlebens“ zusammengestellt und dazu das „Design Research Lab“ der Universität der Künste Berlin an seine Seite geholt.
Den Auftakt bildete ein Vortrag der dort lehrenden Professorin Gesche Joost, die anschaulich erklärte, wie man gerade mit den modernen Mitteln freier Zugänge im Netz das alte Konzept des Gemeinwohls umsetzen kann. Wo eher analog kommunizierende Senioren ihre Anregungen für die Nachbarschaft in einen Briefkasten werfen, der ihre Botschaft sogleich als Tweed verteilt, da können alle Generationen sich direkt und barrierefrei miteinander austauschen. Und wo einfache lokale Netzwerke eingesetzt werden, da sind gemeinsame Aufgaben in einer Berliner Hausgemeinschaft genauso gut organisierbar wie in einem Dorf in Ghana oder Togo. Alles genau so erprobt.
Die Botschaft war unmittelbar eingängig: Gemeinwohl ist am besten herstellbar, wenn der Zugang niederschwellig und die Beteiligung aller gewährleistet ist. Dazu passte ein Workshop zur Sozio-kratie, den die jungen Regisseure des Dokumentarfilms „Machland“ durchführten. Lewin Grabo und Patrick Veit erklärten nicht nur das bereits seit fünfzig Jahren bewährte gleichnamige Organisationsprinzip, welches auf den niederländischen Unternehmer Gerard Endenburg zurückgeht. In Rollenspielen erlebten die Teilnehmer auch konkret, wie sich Entscheidungsprozesse zügig und effektiv so durchführen lassen, dass am Ende jeder am Ergebnis beteiligt ist und keiner mehr einen Einwand hat.
Ergänzt wurden die unterschiedlichen Formen des Vortrags, Workshops, Symposions oder Podiumsgesprächs durch ein Forum für Vereine, die eingeladen worden waren. Etwa zwanzig Repräsentanten aus den umliegenden Gemeinden, die sich der Kunst, der Natur oder der Kulturvermittlung im weiteren Sinne widmen, hatten Poster und Materialien am langen Tisch im Langen Haus ausgelegt. Während man sich hier kennenlernen und austauschen konnte, waren andere unter der Anleitung von Athena Grandis und ihrem Team vertieft in den Linoldruck von Taschen und T-Shirts. Was zeigte: Auch im tätigen Tun werden zuweilen – sogar schweigend – tiefe Verbindungen möglich.
Das Festival ging bis in die Nacht. Videoinstallation, Performance, Dokumentarfilm, Konzert, Tanz – lauter Formen, durch die Kontakte entstehen und zu Banden wachsen können. Ein Mädchen aus der Ukraine spricht noch kaum Deutsch. Mit kyrillischen Buchstaben druckt sie einen Songtext auf ihren Beutel. Jemand fragt sie nach der Bedeutung. Sie tippt den Text in ihr Smartphone, wartet einen Moment, zeigt die Übersetzung. Zwei Menschen lächeln einander an. VerBindungen – so alt, so wertvoll, dieses Konzept.